Therapeut gewinnt gegen Bayerische Beamtenkrankenkasse AG nach langem Prozess

Das Amtsgericht Freyung (Bayern) hat nunmehr in einem sehr umfangreichen und wichtigen Verfahren die private Krankenversicherung Bayerische Beamtenkrankenkasse AG dazu verurteilt, Behandlungskosten für physiotherapeutische Behandlungen zu erstatten, nachdem ein Masseur und medizinischer Bademeister selbst physiotherapeutische Behandlungen benötigte. In dem sehr umfangreichen Verfahren erfolgte die Vertretung durch die Rechtsanwaltskanzlei Alt, welche bundesweit auch Patienten vertritt. 

 

Konkret begab sich ein Masseur und medizinischer Bademeister als Patient aufgrund einer ärztlichen Verordnung aus dem Jahre 2018 in physiotherapeutische Behandlung bei einem seiner Angestellten. Dieser Angestellte war jedoch auch noch in eigener Praxis selbstständig tätig, wo die Leistungen in Anspruch genommen wurden. Es kam somit zu der Inanspruchnahme von 10 Behandlungsterminen für Krankengymnastik, Fango und Lymphdrainage. Die Leistungen wurden im Jahre 2018 mit 720,00 € in Rechnung gestellt und dem Therapeuten vergütet. 

 

Die Bayerische Beamtenkrankenkasse AG schmiss alles in die Waagschale, um die Zahlungspflicht zu vermeiden. Vergleichbar verhalten sich inzwischen viele private Krankenversicherungen. So wurde zunächst dargestellt, dass die Leistungen bei einem Angestellten im eigenen Betrieb des Klägers in Anspruch genommen worden wären und somit eine Erstattungspflicht nach dem Krankenversicherungsvertrag nicht vorgelegen hätte. Dann erfolgte die Argumentation, dass die Behandlungen medizinisch gar nicht notwendig gewesen seien und abschließend versteifte sich die Beklagte darauf, dass die Verordnung ohne ärztliche Untersuchung – also quasi auf Zuruf – erfolgt sei. Abschließend verwies die Beklagte noch darauf, dass eine Kostenerstattung nicht hätte erfolgen müssen, weil angeforderte Behandlungsdokumentationen und Zahlungsbelege nicht eingereicht worden seien. 

 

Zunächst stellte sich das Verfahren wenig spektakulär dar. Es zeigte jedoch beispielhaft, wie inzwischen eine Vielzahl von privaten Krankenversicherungen mit Erstattungsansprüchen von Versicherten umgehen. Ebenso zeigt das Verfahren auf, dass sich Hartnäckigkeit auf Seiten der Versicherten lohnen kann, sofern alle Voraussetzungen für eine Erstattung vorliegen. So wurden die Erstattungsansprüche des Patienten schon im Jahre 2018 abgelehnt und die Rechtsanwaltskanzlei wurde im Februar 2019 mandatiert. Es kam dann im März 2019 zur Einreichung der Klage und zu einem Urteil im Februar 2021. Dabei war sich der Patient jederzeit sicher, dass ihm die Erstattungsansprüche zustehen, weil er nichts falsch gemacht hatte. Er hatte wenig Interesse, sich von seiner Krankenkasse abspeisen zu lassen, weil er sicher war, den Zahlungsanspruch durchsetzen zu können. Erfreulicherweise verfügte er über eine Rechtsschutzversicherung, welche zumindest die Kostenlast eines solchen Prozesses abfedern konnte. 

 

In mehreren Verhandlungsterminen und einer Akte mit inzwischen über 200 Schriftstücken erkannte das Amtsgericht Freyung dann am 11.02.2021 in dem Verfahren mit dem Aktenzeichen 3 C 156/19 darauf, dass die Bayerische Beamtenkrankenkasse AG sowohl die vollständigen Behandlungskosten zahlen muss, wie auch Zinsen darauf, mithin sämtliche Rechtsanwaltskosten im außergerichtlichen Bereich und Kosten des vollständigen Klageverfahrens wie auch die Sachverständigenkosten. Somit wurden die eigentlich zu ersetzenden Behandlungskosten von 720,00  € erheblich aufgebläht, was offenbar die Beklagte in Kauf nahm. 

 

Da der Therapeut, welcher die Leistungen an den Patienten abgegeben hatte, bestätigte, dass er die Leistungen in seiner eigenen Praxis abgegeben hatte, hatte das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass die Leistungen nicht in der Praxis des Klägers abgegeben wurden. Dem unverschämten Vorwurf der Beklagten, dass dem Kläger nur eine Gefälligkeitsrechnung gestellt wurde, wurde somit eine Absage erteilt. Vielmehr stellte das Gericht ausdrücklich dar, dass ein Patient sich bei dem Therapeuten in Behandlung begeben kann, zu dem er Vertrauen hat und von dessen Fachkunde er überzeugt ist. 

 

Das Gericht hatte auch keinerlei Zweifel, dass der Krankenversicherung alle notwendigen Unterlagen vorgelegen haben, weil der Kläger vorgetragen hatte, die Rechnung des Therapeuten und die Verordnung vorgelegt zu haben und drauf eben auch eine Zurückweisung des Zahlungsanspruchs erfolgte. 

 

Mitunter stellte der gerichtlich konsultierte Sachverständige fest, dass für die Verordnung ärztliche Befunde vorgelegen hatten und keinerlei Zweifel bestehen konnten, dass die Leiden des Klägers auch tatsächlich vorlagen. Die medizinische Notwendigkeit der Behandlung wurde somit deutlich erkannt, wobei wichtig war, dass der zu beurteilende Zeitpunkt für die medizinische Notwendigkeit stets der Zeitpunkt ist, an welchem die Verordnung erfolgt. So ist es wichtig feststellen zu können, dass tatsächlich zu diesem Zeitpunkt in der Vergangenheit die medizinische Notwendigkeit der Behandlung vorgelegen hat. 

 

Somit freute sich der Kläger, welcher selbst Therapeut ist, die Ansprüche für seine physiotherapeutische Behandlung erfolgreich in erster Instanz durchgesetzt haben zu können und freute sich über den Umstand, dass sämtliche Prozesskosten ebenso von der Beklagten getragen werden müssen. Rechtsanwalt Alt, welcher den Kläger im Verfahren persönlich unterstützte, freute sich darüber, dass sich die Hartnäckigkeit im Verfahren ausgezahlt hat und dass die Beklagte als private Krankenversicherung vor Augen geführt bekam, dass eine Leistungspflicht bestand. 

 

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.